Die Rentenreform, die zum Jahresbeginn 2019 in Kraft getreten ist, bringt diverse Verbesserungen bei der Mütterrente, für die Erwerbsminderungsrente und für Geringverdiener. Allerdings bedeutet das für die Versichertengemeinschaft auch Mehrkosten, die irgendwie bezahlt werden müssen.
Kann die neue Rentenreform tatsächlich die Altersarmut eindämmen?
Es besteht kein Zweifel mehr daran, dass das Thema Altersarmut in Zukunft noch wesentlich mehr Menschen betreffen wird als es heute bereits der Fall ist. Zum einen sorgen die Entwicklungen in der Demografie dafür, dass die Menschen immer älter werden (und somit länger Rente beziehen), zum anderen beginnen viele Berufsanfänger durch Studium und Ausbildungszeiten immer später mit dem Einzahlen von Rentenbeiträgen.
Hinzu kommen unterbrochene Arbeitsbiografien durch Arbeitslosigkeit, Jobwechsel, Minijobs etc., die sich alle auf die Höhe der späteren Altersbezüge auswirken können. Schon heute kann man ohne private Vorsorge kaum auf ein auskömmliches Alter ohne weitere Aufstockung durch staatliche Leistungen hoffen.
Besonders heftig trifft dies vor allem drei Gruppen:
- Frauen, die durch Erziehungszeiten und Teilzeitarbeit oft nur eine niedrige Rente erhalten
- Geringverdiener, die nur geringe Rentenansprüche erwerben
- Erwerbsgeminderte, die aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig in Rente gehen müssen
Diese drei Gruppen werden bei der aktuellen Rentenreform besonders berücksichtigt und sollen davon profitieren. Verbesserungen gibt es insbesondere in diesen Bereichen:
Mütterrente:
Jedes Kind, das vor 1992 geboren wurde, wird zusätzlich mit einem halben Rentenpunkt berücksichtigt
Erwerbsminderungsrente:
Zurechnungszeiten bis zum Beginn des Renteneintrittsalters werden angehoben
Geringverdiener:
Gleitzone für ermäßigte Rentenbeiträge beträgt jetzt 450 – 1.300 Euro (vorher max. 850 Euro). Außerdem wird der tatsächliche Verdienst bei der Rentenberechnung berücksichtigt
Mit diesem Rentenpaket will die Bundesregierung vor allem zwei Ziele erreichen. Zum einen soll das Rentenniveau auf mindestens 48 Prozent bis zum Jahr 2025 gehalten werden. Zum anderen soll der Rentenbeitragssatz kalkulierbar bleiben und sein Anstieg bis zum Jahr 2025 auf maximal 20,0 Prozent begrenzt werden. Derzeit beträgt der Rentenbeitragssatz noch 18,6 Prozent.
Video: Höhere Renten 2019 – Unfassbar / Und das hat Folgen.
Ist das Rentenniveau wirklich so wichtig?
Viele Experten verweisen darauf, dass das Rentenniveau nur eine statistische Größe darstellt, die nur wenig mit der realen Rente zu tun hat. Verbesserungen dabei sind also für die Rentner nur von begrenzter Bedeutung. Der Wert gibt das Verhältnis der Standardrente zum derzeitigen Durchschnittsgehalt an. Jedes Jahr erfolgt eine Neuberechnung. Als statistischer Mittelwert geht die Berechnung des Rentenniveaus von einem Arbeitnehmer aus, der 45 Jahre gearbeitet und Beiträge in die Rentenversicherung eingezahlt hat.
Weitere Bezugsgröße ist der Durchschnittsverdienst in Euro. Die Statistik hat allerdings einen Schönheitsfehler, denn diese rein fiktive Berechnung dürfte nur auf einen geringen Teil der mehr als 20 Millionen Rentner und Rentnerinnen zutreffen. Tatsächlich fällt der Rentenbezug in der Realität deutlich geringer aus.
Das Niveau hat sich seit dem Jahr 2000 wie folgt entwickelt (Auszug, Quelle: Deutsche Rentenversicherung):
Jahr / Durchschnittsverdienst / Standardrente / Rentenniveau
- 2000 – 23.341€ – 12.356€ – 52,9%
- 2005 – 24.389€ – 12.821€ – 52,8%
- 2010 – 25.632€ – 12.840€ – 50,5%
- 2015 – 29,253€ – 14.367€ – 47,7%
Für die Zukunft wird ein weiteres Absinken des Rentenniveaus erwartet, das sich bis zum Jahr 2032 auf rund 44,9 % reduzieren könnte. Um ein zu starkes Absinken zu verhindern, beinhaltet die aktuelle Rentenrefom den sogenannten Haltepunkt bis 2025.
Wann kommt die Lebensleistungsrente?
Die Große Koalition hat schon lange eine Lebensleistungsrente in den Koalitionsvertrag geschrieben, die der Altersarmut den Riegel vorschieben soll. Doch es gibt nach wie vor kein tragfähiges Konzept, das von allen Parteien der Koalition unterstützt wird. Aktuell wird über eine Grundrente nachgedacht, die ein bestimmtes Mindestniveau garantieren soll.
Allerdings wird dabei die Teilzeitarbeit letztlich besser gestellt als die Vollzeitarbeit, weil in manchen Fällen Versicherte, die ihr ganzes Leben vollschichtig gearbeitet haben, die gleiche Grundrente bekommen würden wie jemand, der nur in Teilzeit tätig war.
Ob und in welcher Form die Grundrente letztlich eingeführt wird, ist im derzeitigen Rentenpaket noch nicht geklärt. Aufgrund der Verwerfungen innerhalb der Koalition bei diesem Thema ist eine Verabschiedung in der derzeitigen Legislaturperiode bereits fraglich.
Wieder nur eine Rentenreform als Flickwerk?
Die sogenannte Mütterrente ist eines der wichtigsten Elemente der neuen Rentenreform. Dabei sollen Mütter (oder analog erziehende Väter) für jedes Kind, das vor 1992 geboren wurde, einen halben Rentenpunkt zusätzlich auf ihrem Rentenkonto gutgeschrieben bekommen. Das klingt nicht viel, doch eine Aufstockung der Entgeltpunkte führt zu einer Anhebung der monatlichen Rentenzahlung von 16,02 Euro (West) bzw. 15,35 Euro (Ost) für jedes Kind.
Berechnungen zufolge profitieren auf diese Weise etwa sieben Millionen Mütter (bzw. Väter) von der aktuellen Rentenreform. Kritiker sehen darin jedoch nur einen Anfang, der die Altersarmut nicht nachhaltig bekämpfen kann und zudem nur eine vergleichsweise kleine Personengruppe betrifft. Immerhin soll damit der Tatsache Rechnung getragen werden, dass Kinder als Grundstock des Rentensystems unverzichtbar sind und somit Familien mit Kindern belohnt werden.
Bei der Erwerbsminderungsrente ist das grundlegende Problem, dass die Betroffenen als Frührentner in der Regel nur über eine kleine Rentenzahlung pro Monat verfügen können. Damit sitzt man nicht selten zwischen den Stühlen, denn anders als Bezieher von Hartz-IV bekommen solche Rentner etwa keine Hilfe zur Zahlung der Miete oder der Heizkosten. Auch die Rundfunkgebühr muss meistens voll gezahlt werden. Unter dem Strich bleibt vielen Erwerbsgeminderten also nur sehr wenig Geld zum Leben übrig.
Theoretisch kann zwar bisweilen eine Aufstockung durch Grundsicherung oder Wohngeld erfolgen, in der Praxis sind diese Zahlungen aber oft an hohe Hürden geknüpft. So bekommt jemand, der im eigenen Haus wohnt, aufgrund der großen Wohnfläche in der Regel kein oder nur sehr wenig Wohngeld und die Grundsicherung fällt bei vielen Frührentnern aufgrund der relativ „hohen“ Auszahlungsbeträge sehr gering aus. Die aktuelle Rentenreform will nun zumindest die Erwerbsminderungsrente durch eine Verbesserung der Zurechnungszeiten aufstocken.
Bei der Berechnung der Rentenhöhe wird angenommen, der Versicherte habe bis zu einem bestimmten Alter ganz normal seine Beiträge in die Rentenkasse entrichtet. Diese Zurechnungszeiten enden im Normalfall zum 62. Lebensjahr und sollen durch die Rentenreform nun nach oben ausgeweitet werden. Einen Wermutstropfen gibt es allerdings auch, denn die Verbesserungen werden nur auf künftige Erwerbsminderungsrenten angewendet; die Bestandsrentner gehen komplett leer aus und haben somit nichts von der Rentenreform.
Geringverdiener in Minijobs arbeiten derzeit in einer sogenannten Gleitzone zwischen 450 und 850 Euro. Wessen Verdienst innerhalb dieser Spanne liegt, zahlt einen reduzierten Rentenbeitragssatz. Allerdings führt dies auch pauschal zu einer geringeren Rentenzahlung. Mit der Rentenreform wird dies etwas verbessert. Ab sofort wird die Gleitzone auf 1.300 Euro ausgeweitet, Bezieher eines solchen Mini- oder Midijob-Einkommens müssen also ebenfalls nicht mehr den vollen Rentenbeitrag zahlen. Zudem wird bei der Rentenberechnung in Zukunft der tatsächliche Verdienst zugrunde gelegt. Dies bedeutet in der Regel eine höhere Rentenzahlung.
Video: Neues RENTENPAKET 2019 – DAS ist drinnen für dich | Mütterrente, Rentenbeitrag und Co.
Was sagen die Experten zur Rentenreform?
Die von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) entworfene Rentenreform, die seit 1. Januar 2019 gilt, wird von Experten kritisch beäugt. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) stellt in einer Studie fest, dass Haushalte mit geringen und mittleren Einkommen zwar entlastet werden, die Rentenreform aber auch viele Haushalte mit hohen Einkommen entlaste, die es eigentlich nicht nötig hätten.
Im Durchschnitt sollen die Begünstigten von rund 17 Euro im Monat profitieren, während die Sozialversicherungen einen Beitragsausfall von etwa 400 Millionen Euro pro Jahr verkraften müssen. Die Rentenreform sei vor allem auf die Förderung von Teilzeitarbeit hin optimiert, die in erster Linie von Frauen geleistet wird. Darin sieht das DIW deswegen ein Problem, weil eine weitere Ausweitung von Teilzeitarbeit negative Auswirkungen auf die aktuelle Einkommenshöhe und somit die künftige Alterssicherung habe.
Fazit: Die Rentenreform bringt Entlastungen, schließt aber Bestandsrentner aus
Es ist unbestreitbar, dass die Rentenreform einige spürbare finanzielle Verbesserungen bringt. So ist die Mütterrente für den bezugsberechtigten Personenkreis eine definitive Verbesserung der Einkommenssituation, da jedes vor 1992 geborene Kind die Rente um rund 15 Euro monatlich anhebt. Die Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente sind ebenfalls überfällig, schließen aber Bestandsrentner aus, was von vielen Betroffenen als unfair betrachtet wird.
Sie gehören zu den Personen, die am wenigsten an ihrer Einkommenssituation ändern können und in der Regel auch keine Kapazitäten für die private Altersvorsorge haben. Die Anhebung der Gleitzone im Mini- bzw. Midijob-Bereich wirkt sich nur teilweise auf Bezieher kleiner Einkommen aus und bringt auch Vorteile für Familien mit hohen Einkommen, wenn jemand zusätzlich in Teilzeit arbeitet.
Die Stabilisierung von Rentenbeitragssatz und Rentenniveau gilt unter Experten als wenig nachhaltig und im Falle des Rentenniveaus als rein statistische Spielerei. Bedenklich ist, dass diese Rentenreform für einen weiteren Zuwachs bei der Teilzeitarbeit sorgen könnte, was hinsichtlich der Einkommenshöhen und der damit verbundenen Gefahr der Altersarmut nicht erstrebenswert sein kann.
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